Kinderpatenschaften werden heute von vielen Organisationen angeboten. Sie haben ja auch große Vorteile, sowohl für denjenigen, der sich für eine Unterstützung eines Patenkindes entscheidet, als auch für die jeweilige Organisation. Kinderpatenschaften sind ein kräftiges Zugpferd beim umkämpften Werben um Spenden. Aus unserer langjährigen Erfahrungen mit Patenschaften und als als Nicht-Gewinn orientierte (Non Profit) Initiative ist es uns ein großes Anliegen, Sie auch auf die Nachteile und die Risiken, die mit einer Übernahme einer individuellen Patenschaft für ein Kind im Ausland verbunden sind, hinzuweisen. Also „Butter bei die Fische“ und Klartext reden…

….. Klartext über die Vor- und Nachteile von Patenschaften für einzelne Kinder. Über eine Form der Unterstützung die auch unter unseren Förderern sehr populär ist. Vielleicht ist es nach unserer mehr als 20-jährigen Erfahrung als „normale“ Paten und mittlerweile über zehn Jahren, die wir den Förderkreis leiten, auch einfach mal Zeit, unsere Erfahrungen mit Ihnen zu teilen, einen Abgleich vorzunehmen und dadurch den Kurs unseres Förderkreises neu zu bestimmen.

Anlass dieses Beitrags sind zum Teil unsere eigenen Erfahrungen, die wir in unserer ehrenamtlichen Arbeit machen, als auch Ihre Fragen, Ihre Anmerkungen und Ihre konstruktiven Kritik, der wir uns immer gerne stellen. Vielleicht schneiden wir uns mit dem offenen Umgang mit dem Thema ins eigene Fleisch. Wahrscheinlich aber auch nicht, da wir ein offenes Wort, auch wenns unbequem ist, lieber verkünden und hören, als Ihnen und uns etwas vorzuspielen. Davon hätten wir sowieso nichts, da wir als ehrenamtlich Tätige weder von Prem Dan leben, noch als realitätsferne Wohltäter durch die Welt laufen wollen. Wie auch immer, wir freuen uns in jedem Fall über Ihre Meinung zum Thema Einzelkinderpatenschaften (wir haben mittlerweile einige der zahlreichen Zuschriften im Beitrag „Ihre Meinungen zum Thema Patenschaften“ veröffentlicht).

Wir beginnen mal mit den Vorteilen, die Patenschaften für einzelne Kinder im Ausland mit sich bringen.

Wo liegen die Vorteile für Sie und uns?

Ihre Patenschaft gibt Ihnen und uns -wir sind selber vielfache Paten- zunächst einmal das Gefühl, direkt und unbürokratisch zu helfen. Ihre Spende wandert nicht anonym auf ein beliebiges Spendenkonto. Der Name des Kindes auf dem Überweisungsformular verleiht Ihrem Engagement eine persönliche Beziehung, ein Gesicht. Sie wird als Gewinn für das Kind und den Paten empfunden. Die Entwicklung eines Patenkindes, seine Emanzipationsgeschichte mitzuerleben, das gibt uns ein gutes Gefühl. Auch unseren leiblichen Kindern ist das Engagement in einem fernen Land dadurch viel begreifbarer.

Patenschaften motivieren dazu sich dauerhaft zu engagieren. Hier liegt auch der große Vorteil für Organisationen und Initiativen wie Prem Dan. Die Paten binden sich freiwillig, natürlich immer unverbindlich, für längere Zeit an uns. Wir erhalten regelmäßig Spendengelder und können die Hilfe vor Ort langfristig planen und sicherstellen. Zudem sind Kinderpatenschaften sehr werbewirksam und generieren am meisten Spenden.

Wo liegen die Nachteile für Sie und uns?

Lassen Sie uns am besten mit paar Fragen beginnen, die uns in den letzten Jahren gestellt werden:

Kann ich mein Patenkind adoptieren?

Wir erhielten bereits Anfragen, ob wir das jeweilige Patenkind nicht zur Adoption vermitteln könnten. Es war schwer die Paten, die sich trotz der großen Distanz zum Kind mehr in der Rolle von Ersatzeltern sahen, davon zu überzeugen, dass der deutsche Förderkreis Prem Dan kein Vermittlungsinstitut für Adoptionen für Kinder aus Schwellenländern ist. Wir, der deutsche Förderkreis, lehnen diese für Kinder, die in der eigenen Familie und Kultur verwurzelt sind und ihre Fähigkeiten und Talente zur Verbesserung der Bedingungen im eigenen Land einbringen werden, ausdrücklich ab. Wir wissen aber auch, dass es in der über 30-jährigen Geschichte Prem Dans etwa eine handvoll Adoptionen von Kindern Prem Dans z.B. in die U.S.A. gab. Nochmals: Die heutige Leitung Prem Dans in Mumbai und wir lehnen Adoptionen ab.

Warum erhalte ich nicht mehr Informationen über und von meinem Patenkind?

Gelegentlich hören wir von unseren Paten, dass die Briefe der Kinder zwar ganz nett seien, dass man aber deutlich mehr über das Leben des Patenkindes erfahren möchte als vielleicht die Schilderung von Freizeitaktivitäten oder die Schulnoten aus dem beiligenden Schulzeugnis. Dieser Wunsch ist uns absolut verständlich. Dennoch, bedenken Sie bitte den enormen Arbeitsaufwand, den das Team vor Ort aufbringen muss um knapp 700 Briefe, Fotos, Zeugnisse, Zeichnungen, etc. zweimal jährlich an die Paten in aller Welt zu verschicken. All dies geschieht neben dem Routinebetrieb, der von nur einer handvoll Ordensschwestern und einer Sekretärin bewältigt wird.

In diesem Zusammenhang scheint es uns auch wichtig auf die Situation des einzelnen Kindes hinzuweisen. In anderen Worten: Uns wird ein Kind, welches sich in einer Notlage befindet auf unseren Wunsch hin zugeteilt. Das Kind hat sich uns nicht ausgesucht. Können wir deshalb verstehen, dass Kinder die von wenigen Paten an sie gestellten übergroßen Erwartunungen an deren Dankbarkeit nicht vollständig erfassen und erfüllen können. Es empfindet die Armut in seiner Lebenswelt nicht als den humanitären Katastrophenfall als den wir sie sehen. Unsere Patenkinder haben natürlich Wünsche und sie träumen von einem besseren Leben, aber es hat schon immer ohne fließend Wasser, ohne Toilette gelebt, von Eltern erzogen, die nicht lesen und schreiben können. Uns wundert bei unseren Besuchen in den Slums immer wieder, mit welch großer Lebensfreude und Optimismus die Kinder selbst die härtesten Lebensumstände wegstecken. Wie steht es deshalb um die Dankbarkeit für unser Engagement? Ja, sie ist selbstverständlich vorhanden, aber denken wir an uns selbst zurück. Wie oft haben wir unseren Eltern, den Lehrern oder dem Staat für das Geleistete gedankt?

Ich hätte mir den persönlichen Kontakt zum Patenkind, mit dem Sie ja werben anders, intensiver, eben persönlicher vorgestellt!

 Eine persönliche Fernbeziehung, die durch Briefkontakte oder Besuche hergestellt wird, birgt die Gefahr, falsche Hoffnungen und Erwartungen zu wecken. Unsere Einflussnahme auf die Entwicklung des Kindes, so sehr wir sie uns im Einzelfall wünschen, ist im Grunde genommen nicht gegeben. Wir, die Patinnen und Paten, können für das Wohlergehen des Kindes keine Verantwortung übernehmen.Wir tragen sie für das Gesamtprojekt in beschränktem Maße wohl, nicht aber für das einzelne Kind. Seine Zukunft liegt in den Händen seines Umfeldes, seiner Eltern, der Ordensschwestern Prem Dans, seiner Betreuer und letztlich auch einen Großteil an ihm selbst. Falsche Vorstellungen können beiderseits zu Enttäuschungen führen. Wir sind im Grunde genommen nur Zuschauer, die sich anhand kurzer Briefe, der Jahrgangsfotos und Zeugnisse ein Bild vom Patenkind machen müssen. Dem überwiegenden Teil unserer Paten ist dieses bewusst, einige erhoffen sich mehr.

Hier müssen wir uns als Verantwortliche des Förderkreises auch selbstkritisch hinterfragen. Haben wir nicht selbst zu den Erwartungen beigetragen?

Ich helfe mit meinem Beitrag doch hauptsächlich meinem Patenkind?

Die ist nur die halbe Wahrheit! Prem Dan unterhält zum Beispiel drei Vorschulen in den Slums der Stadt. Diese werden von ca. 220 Fünfjährigen besucht, die noch keinen Paten haben und hier in englischer Sprache unterrichtet werden und sich sattessen können. Die Kenntnis der englischen Sprache ist eine der Voraussetzungen um in die guten Schulen aufgenommen zu werden, in die unsere Patenkinder dann dank unseerer Unterstützung gehen. Die Kosten für den Unterhalt der Gebäude, des Waisenheims, der Vorschullehrer, der Köche etc. – all dies wird von Ihren Beiträgen gedeckt, die natürlich in einen Topf fließen aus dem allen Kindern Prem Dans geholfen wird. Sie haben also nicht nur ein Patenkind, sondern ganze 700!

Warum helfen wir einzelnen Kindern und nicht einem ganzen Slum? Ist das nicht ungerecht?

Diese Frage stellen sich zum Beispiel unsere Paten, deren Kinder vorzeitig oder unerwartet aus dem Programm ausscheiden. Die Frage ist berechtigt. Wieso bauen wir nicht zum Beispiel ein Slumkrankenhaus, verlegen Trinkwasserleitungen oder errichten eine Schule, die von allen Kindern eines Slums besucht werden kann – dies machen doch andere Organisationen, zum Beispiel in Afrikas Dörfern, auch? Wäre dies für die Gesamtentwicklung in Mumbai, in Indien nicht förderlicher?

Wir würden dies sicher auch gern tun. Allerdings wären wir hier sowohl finanziell als auch organisatorisch völlig überfordert. Wir haben als kleine Initiative unsere Stärken auf anderen Feldern. Individuelle, auf das jeweilige Kind abgestimmte Unterstützung, vom Vorschulbesuch (die Schulen liegen inmitten der Slums) bis zum Abschluss an einer guten Schule. Hier liegen unsere Schwerpunkte. „Keep it small and effective“ – der Leitgedanke Schwester Felicities, der Gründerin Prem Dans, gilt auch nach fast 40 Jahren noch. Er hat sich tausendfach bewährt.

Ist die Hilfe nun nachhaltig oder nicht?


Für das einzelne Kind ganz bestimmt. Bildung ist der Schlüssel für ein selbstbestimmtes Leben, für Entwicklung und Wohlstand. In Deutschland und im Rest der Welt. Bringt Bildung dem Umfeld des Kindes etwas, dem Slum, seiner Familie? Wenn wir die uns bekannten Geschichten der Kinder, die Prem Dan erfolgreich durchlaufen haben, betrachten, so können wir eines feststellen: Die Unterstützung, die wir unseren Kindern gewähren, zahlt sich über Generationen aus. Indiens und Mumbais Wirtschaft wächst – aufgrund des permanenten Zustroms verarmter Landbewohner nicht in Relation zur Armut vor Ort- aber absolut gesehen schon. Das heißt, es gibt genügend Arbeitsplätze für unsere Absolventen. Gut ausgebildete junge Erwachsene werden händeringend gesucht. Ein gutes Einkommen ist unseren Patenkindern also einmal gewiss. Dies liegt bei weitem höher als das Ihrer Eltern, die als Tagelöhner niedrigstqualifizierte Arbeit verrichten. Mit dem verdienten Geld unterstützen sie ihre Familie, ermöglichen jüngeren Geschwistern oder später ihren eigenen Kindern eine gute Ausbildung oder kaufen ihren Eltern eine kleine Wohnung. Insofern hat unser Engagement eine nachhaltige, eine langfristige Wirkung. Auf die Entwicklung der Slums vor Ort aber sicher nur eine in homöopathischen Dosen. Salopp gesagt: Wird eine Slumhütte frei, steht sofort eine andere verarmte Familie auf der Suche nach Unterschlupf parat.

Warum hat mein Kind die Ausbildung vorzeitig abgebrochen?

Dies ist die Frage, die unsere Paten am meisten beschäftigt. Zwei bis drei von zehn Paten werden sie sich im Laufe seines Engagements stellen müssen. Es gibt auf sie keine einfache Antwort. Die Gründe für das Ausscheiden des Kindes sind so verschieden wie die Kinder und ihre jeweiligen Lebensgeschichten. Die Gründe liegen meist im familiären Umfeld. Unsere Kinder leben überwiegend noch bei ihren Eltern im Slum oder in den unzähligen Armenvierteln. Nach Mumbai kamen die Familien in der Hoffnung auf eine bezahlte Arbeit, auf der Suche nach einem besseren Leben für sich und die Familie. Oft erweist sich die Suche nach Lebensglück viel schwieriger als angenommen. Sehen die Eltern unserer Kinder an einem anderen Ort, an einer anderen Stelle größere Chancen, nehmen sie diese meist war. Wir wissen, dass ihnen diese Entscheidung sehr schwer fällt. Stecken sie doch in der Zwickmühle zu entscheiden, ihren eigenen Hoffnungen nachzugehen oder darauf zu verzichten und ihrem Kind (meist nur eins von vielen), das eine gute Schule besucht und zweifellos beste Aussichten hat, diese Chancen zu verbauen. Leider suchen die Eltern nur selten im Vorfeld bei den Ordensschwestern Rat. Der Stolz der Väter, der drohende Gesichtsverlust, spielt hier eine große Rolle. So kann das Team vor Ort auch selten rechtzeitig eingreifen, indem es der Familie zum Beispiel Unterstützung oder die Unterbringung der Tochter im Mädchenheim anbietet. Das Kind taucht dann einfach nicht mehr auf, oft nach den Sommerferien. Die Suche beginnt. Oft können wir dann den Paten nicht mal die Gründe, die zum Verschwinden des Kindes führten, liefern. Dies ist für alle Seiten sehr unbefriedigend.

Manchmal stellen auch die schulischen Anforderungen, trotz Hausaufgabenbetreuung und intensiver Nachhilfe, eine zu große Hürde dar. In diesem Fall versucht Prem Dan den Kindern eine Berufsqualifikation zu vermitteln. In den Räumen des Mädchenheims bietet Prem Dan zum Beispiel Qualifizierungskurse zur Näherin an.

Waren die Jahre des Kindes in der Obhut Prem Dans, gerade im Falle des plötzlichen Verschwindens, deshalb verlorene? Niemals! Es hat mehr als nur schreiben, lesen oder rechnen gelernt. Unsere Patenmädchen und -jungen haben Verlässlichkeit und menschliche Zuwendung erfahren, sind mit Kindern anderer Religions- oder Kastenzugehörigkeit friedlich großgeworden, haben Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten gewonnen. Sie werden die Ausbildung vielleicht an anderer Stelle fortsetzen.

Es handelt sich also bei meiner Patenschaft um eine symbolische Form der Unterstützung?

Diese Frage bringt es auf den Punkt. Zusammengefasst: Unser Geld fließt in einen Topf, aus dem alle Hilfsleistungen Prem Dans finanziert werden. Es kommt nicht nur unserem Kind zu Gute. Die Beziehung zum Patenkind, die gelegentlich unerfüllbare Hoffnungen und Erwartungen weckt, ist niemals eine ganz enge, persönliche, wie wir sie aus unserer eigenen Familien, unserem Freundeskreis kennen. Unsere Kinder können sich unter uns, unserer westlichen, christliche geprägten Kultur wenig vorstellen. Sie entwickeln sich wie alle Kinder ganz unterschiedlich. Die meisten lernen motiviert, nehmen die Hilfe Prem Dans und ihrer Lehrer an und werden von ihren Eltern unterstützt. Andere geraten gerade in der Pubertät, im Wandel vom kindlichen Ich zum jungen Erwachsenen, in die üblichen Turbulenzen. Akzeptieren wir dann, dass das Jahresfoto einen etwas mürrischen Halbstarken zeigt?

Sie sehen, die Übernahme einer Patenschaft für ein Kind hat seine Tücken. Dies gilt für Prem Dan genauso wie für alle anderen Organisationen, die Kinderpatenschaften anbieten. Sie hat so viele Seiten. Wunderschöne, wenn man miterlebt wie aus einem Kind aus den ärmsten Verhältnissen, aus den untersten Kasten, ein selbstbewusster, gebildeter junger Erwachsener wird, der für sich und seine Umwelt Verantwortung übernehmen wird. Weniger schöne, wenn sich unsere Hofnungen und Erwartungen, die wir mit Prem Dan und unserem Kind verknüpfen, nicht erfüllen.

Akzeptieren wir, akzeptieren Sie die Tatsache, dass gerade auf dem Feld humanitären Engagements, der Entwicklungshilfe und auch der Kindererziehung, unser Wunsch nach der perfekten Patenschaft, dem perfekten Hilfsorganisation größer sein kann als die Wirklichkeit? Inwieweit ist unsere und die Motivation von Kinderpaten selbstlos, wieviel Eigennutz steckt in ihr? Die Antworten auf diese Fragen können wir Ihnen nicht geben. Die Suche nach Ihnen lohnt sich vor der Aufnahme einer Patenschaft ganz bestimmt.

Was Sie über Kinderpatenschaften wissen sollten.

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